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Präzision trifft Beweglichkeit
Die Schätzung im Projektmanagement ist ein entscheidender Schritt in der Planung und Durchführung von Projekten. Im agilen Projektmanagement, das sich durch Flexibilität, inkrementelle Arbeitsweise und ständige Anpassung auszeichnet, haben sich jedoch spezifische Schätzmethoden entwickelt, die den besonderen Anforderungen agiler Teams gerecht werden. In diesem erweiterten Blogbeitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf sowohl traditionelle als auch agile Schätzmethoden und beleuchten ihre Anwendungsfelder.
Schätzmethoden im traditionellen Projektmanagement (nur kurzer Überblick zum Vergleich)
Die klassischen Schätzmethoden wie analoge Schätzung, parametrische Schätzung, Drei-Punkt-Schätzung (PERT), Expertenschätzung, Bottom-up-Schätzung, Top-down-Schätzung und Vergleichsschätzung werden häufig in planorientierten Projektmanagement-Ansätzen verwendet. Diese Methoden basieren in der Regel auf historischen Daten und detaillierten Planungen, was sie besonders für Projekte mit klaren Anforderungen und wenig Änderungsbedarf geeignet macht.
Im agilen Umfeld gibt es hingegen einen anderen Ansatz zur Schätzung, da agile Projekte oft von Unsicherheit und sich ändernden Anforderungen geprägt sind. Agilität erfordert eine flexiblere, inkrementelle und teamzentrierte Schätzmethodik, die darauf abzielt, kontinuierliche Verbesserungen zu fördern und den Fokus auf Wertschöpfung zu legen.
Schätzmethoden im agilen Projektmanagement
Im agilen Projektmanagement spielen Schätzungen eine zentrale Rolle, um Iterationen (Sprints) zu planen und den Fortschritt kontinuierlich zu überwachen. Im Folgenden erläutern wir einige der wichtigsten Schätzmethoden, die in agilen Projekten Anwendung finden.
Planning Poker
Planning Poker ist eine kollaborative Methode zur Schätzung des Arbeitsaufwands in agilen Teams. Jeder Teilnehmer erhält ein Set von Karten mit Zahlen. Diese Zahlenfolge ist je nach Projektumgebung individuell zu wählen: bspw. wählt das Team die Fibonacci-Folge: 0, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34 usw. oder die T-Shirt Reihe, die weniger genau ist.
Die Teammitglieder schätzen dann den Arbeitsaufwand für eine User Story oder ein Task, indem sie einen Punktewert einer Karte verdeckt auswählen. Nach dem Enthüllen der Karten diskutieren die Teammitglieder Unterschiede in ihren Schätzungen und erreichen schließlich einen Konsens. Wenn nicht, wird die User-Story noch einmal überarbeitet.
Vorteile:
- Fördert die Zusammenarbeit und Diskussion im Team.
- Vermeidet Gruppendenken, da jeder unabhängig schätzt.
- Einfache und sehr nützliche Methode.
- Schafft Klarheit über Annahmen und Missverständnisse
- Bringt neue Gedanken und Ideen in den Schätzprozess
Nachteile:
- Kann zeitaufwendig sein, wenn die Diskussionen zu lange dauern.
- Subjektive Einschätzungen, die von der Erfahrung der Teammitglieder abhängen.
Elemente des Planning Pokers
1. Anwendung von T-Shirt-Größen
Bei der Schätzung in T-Shirt-Größen werden Aufgaben nach ihrer relativen Größe in Kategorien wie XS, S, M, L, und XL eingeteilt. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn die genaue Zeit oder der Aufwand schwer zu bestimmen ist, das Team jedoch ein Gefühl für die relative Komplexität verschiedener Aufgaben entwickeln kann.
Vorteile:
- Schnell und unkompliziert.
- Keine präzisen Zahlen erforderlich, was Unsicherheiten mindert.
- Hilft bei der Priorisierung von Aufgaben durch die Betrachtung der Komplexität.
Nachteile:
- Weniger präzise als andere Schätzmethoden.
- Die tatsächlichen Zeiten oder Aufwände können stark variieren.
Anwendungsbeispiel: Ein agiles Team könnte bei der Roadmap-Planung von Features verschiedene Anforderungen als “klein”, “mittel” oder “groß” einstufen, um die Arbeitsschritte für die nächsten Sprints grob zu planen.
2. Relatives Schätzen
Zeiten zu schätzen, fällt jedem Mitarbeiter schwert, weswegen Planning Poker gezielt auf die relative Schätzung fokussiert.
Beim relativen Schätzen werden Aufgaben nicht in absoluten Einheiten (Stunden oder Tage), sondern in Relation zueinander bewertet. Diese Methode basiert auf dem Vergleich von User Stories oder Arbeitspaketen. Eine Referenz-Story wird zuerst geschätzt und alle weiteren Aufgaben werden im Vergleich dazu eingestuft.
Vorteile:
- Erleichtert Schätzungen bei Unsicherheiten.
- Schnell und effizient, da keine detaillierten Berechnungen notwendig sind.
- Bietet Flexibilität bei ungenauen oder unvollständigen Anforderungen.
Nachteile:
- Kann ungenau sein, wenn die Referenz-Story schlecht gewählt wird (das braucht etwas Übung)
- Subjektive Beurteilung der Komplexität.
3. Story Points im Planning Poker
Story Points sind eine der am häufigsten verwendeten Schätzmethoden in agilen Projekten. Dabei wird der Arbeitsaufwand einer User Story in “Punkten” geschätzt, die die Komplexität, den Aufwand und die Unsicherheit widerspiegeln. Dabei benötigt man eine User Story als Referenz, damit man mit dieses Referenz-Story die Aufwände vergleichen und schätzen kann.
Story Points berücksichtigen nicht nur die reine Arbeitszeit, sondern auch die Risiken und den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe.
Vorteile:
- Berücksichtigt Unsicherheiten und Komplexität.
- Unabhängig von Kalendertagen oder Arbeitsstunden, was die Schätzung flexibler macht.
- Bietet eine gute Grundlage für die Sprint-Planung und -Überwachung.
Nachteile:
- Die Punktwerte sind subjektiv und variieren von Team zu Team.
- Benötigt Erfahrung, um präzise und konsistente Schätzungen zu entwickeln.
Bucket-System-Schätzung
Das Bucket-System ist eine Methode, die besonders nützlich ist, wenn viele Aufgaben in kurzer Zeit geschätzt werden müssen. Aufgaben oder User Stories werden in “Buckets” (Eimer) einsortiert, die jeweils einer Schätzgröße entsprechen (z. B. 1, 2, 5, 10 Punkte). Das Team diskutiert dann, in welchen Eimer die jeweiligen Aufgaben passen.
Vorteile:
- Sehr effizient, wenn viele Aufgaben zu schätzen sind.
- Fördert Diskussionen und Einigkeit im Team.
- Spart Zeit im Vergleich zu detaillierten Schätzmethoden.
Nachteile:
- Nicht so präzise wie einige andere Methoden.
- Subjektivität kann zu Ungenauigkeiten führen.
Anwendungsbeispiel: Ein Team könnte das Bucket-System verwenden, um ein großes Backlog schnell zu schätzen, indem es die User Stories in verschiedene Punkte-Kategorien aufteilt.
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No Estimation (Keine Schätzung)
Ein radikaler Ansatz im agilen Umfeld ist die sogenannte „No Estimation“-Methode, bei der komplett auf Schätzungen verzichtet wird. Verrückt, wenn man daran denkt, dass gar nicht geschätzt wird. Und es kommen sofort Gedanken hoch wie, „viel zu riskant“, „wann weiß ich denn, wann wir fertig sind“, etc.
Statt Schätzungen zu verwenden, fokussieren sich die Teams darauf, die Arbeit kontinuierlich zu liefern und regelmäßig Feedback einzuholen, um den Fortschritt zu steuern. Dies wird durch kurze Iterationen und konstante Priorisierungen erreicht.
Vorteile:
- Spart Zeit, die für Schätzungen aufgewendet wird.
- Fördert kontinuierliche Lieferung und Feedback-Schleifen.
- Minimiert den Aufwand für Planungsfehler.
Nachteile:
- Erfordert ein hohes Maß an Vertrauen und eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden.
Kann bei großen Projekten mit unklaren Anforderungen schwieriger sein.
Anwendungsbeispiel: Ein Scrum-Team könnte auf Schätzungen verzichten und stattdessen den Fokus darauf legen, innerhalb eines Sprints so viel wie möglich zu liefern, wobei Priorisierungen kontinuierlich angepasst werden.
Fazit: Traditionelles vs. Agiles Schätzen
Während traditionelle Schätzmethoden oft auf detaillierten Planungen und historischen Daten basieren, sind agile Schätzmethoden flexibler und stärker auf die Zusammenarbeit im Team und iterative Prozesse ausgerichtet. Schätzungen in agilen Projekten dienen dazu, den Arbeitsaufwand relativ zu bewerten, Risiken einzuschätzen und eine Grundlage für die Sprint-Planung zu schaffen, anstatt genaue Vorhersagen zu liefern.
Agile Teams nutzen häufig eine Kombination aus Methoden wie Planning Poker, Story Points und relativen Schätzungen, um Unsicherheiten zu managen und den Fokus auf kontinuierliche Verbesserung und Wertschöpfung zu legen. Welches Schätzverfahren letztlich verwendet wird, hängt von der Erfahrung des Teams, der Art des Projekts und den spezifischen Anforderungen ab. Wichtig ist, dass die Schätzungen regelmäßig überprüft und angepasst werden, um den Erfolg des Projekts zu gewährleisten.