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Die Kunst des Schätzens: So werden Projekte planbar und kalkulierbar
Die Schätzung im Projektmanagement ist ein zentraler Bestandteil der Projektplanung und -durchführung. Eine genaue Schätzung ermöglicht es Projektmanagern, realistische Zeitpläne zu erstellen, Budgets zu verwalten und Risiken zu minimieren. Es gibt verschiedene Methoden zur Schätzung von Zeit, Kosten und Ressourcen in Projekten, die je nach Projektgröße, -komplexität und verfügbaren Informationen variieren können. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen detaillierten Blick auf die gängigsten Schätzmethoden im Projektmanagement und ihre Anwendung.
Analoge Schätzung
Die analoge Schätzung ist eine einfache und weit verbreitete Methode. Hierbei werden Daten aus früheren, ähnlichen Projekten verwendet, um die Schätzung für das aktuelle Projekt vorzunehmen. Sie basiert auf historischen Informationen und der Annahme, dass zukünftige Projekte ähnlich ablaufen werden wie vergangene.
Vorteile:
- Schnell und einfach anzuwenden.
- Nutzt vorhandene Daten und Erfahrungen.
Nachteile:
- Abhängig von der Genauigkeit und Verfügbarkeit von Daten aus früheren Projekten.
- Subjektiv und weniger präzise, insbesondere bei sehr unterschiedlichen Projekten.
Anwendungsbeispiel: Wenn ein Unternehmen bereits mehrere ähnliche Softwareentwicklungsprojekte abgeschlossen hat, kann es diese Erfahrungen nutzen, um die Dauer und Kosten eines neuen Projekts zu schätzen.
Parametrische Schätzung
Die parametrische Schätzung verwendet statistische Modelle, um die Kosten oder Dauer eines Projekts zu schätzen. Diese Methode basiert auf quantitativen Daten und formelhaften Berechnungen. Es werden spezifische Parameter (z. B. Anzahl der Codezeilen, Fläche eines Bauwerks) herangezogen, die mit historischen Daten kombiniert werden, um die Schätzung vorzunehmen.
Vorteile:
- Genau, wenn die Parameter und Daten gut definiert sind.
- Bietet eine systematische und nachvollziehbare Schätzung.
Nachteile:
- Abhängig von der Verfügbarkeit und Qualität der Daten.
- Funktioniert nur, wenn klare Parameter vorhanden sind.
Anwendungsbeispiel: Ein Bauunternehmen könnte die Quadratmeterfläche eines Gebäudes als Parameter nutzen und daraus die Gesamtkosten und Bauzeit berechnen, basierend auf den durchschnittlichen Kosten pro Quadratmeter aus früheren Projekten.
Drei-Punkt-Schätzung (PERT)
Die Drei-Punkt-Schätzung ist eine Methode, die Unsicherheiten bei der Schätzung berücksichtigt. Sie basiert auf drei Werten:
- Optimistische Schätzung (O): Die günstigste Schätzung.
- Pessimistische Schätzung (P): Die längste oder teuerste Schätzung.
- Wahrscheinlichste Schätzung (M): Der realistischste Mittelwert.
- Die endgültige Schätzung wird durch den gewichteten Durchschnitt dieser drei Werte berechnet. Für die Gewichtung stehen 6 Punkte zur Verfügung, die auf die 3 Schätzungen verteilt werden können.
Beispiel:
Optimistische Schätzung: 3 Tage
Wahrscheinlichste Schätzung: 5 Tage
Pessimistische Schätzung: 9 Tage
Verteilung der 6 Gewichtungspunkte Dies ist nur ein Beispiel. Die Punkte werden auf Basis verschiedener Aspekte verteilt. Dies können Erfahrungen, Risiken, Rahmenbedingungen, Einschränkungen, etc. sein.
Optimistische Schätzung:
Da das Arbeitspaket von einem weniger erfahrenen Kollegen durchgeführt, weswegen wir eher nicht davon ausgehen, dass wir das Arbeitspaket in 3 Tagen erledigen können.
= 0 Punkt für die optimistische Schätzung (bleiben noch 6 Punkte von 6)
Wahrscheinlichste Schätzung:
Die Schätzung erfolgte durch einen Kollegen, der diese Arbeit sehr gut kennt und zügig arbeitet. Wir gehen davon aus, dass dieses Tempo von unserem weniger erfahrenen Mitarbeiter nicht gehalten werden kann. Allerding können andere Kollegen eventuell unterstützen.
= 4 Punkte für die wahrscheinlichste Schätzung (bleiben noch 2 Punkte von 6)
Pessimistische Schätzung:
In dem Fall, dass die anderen Kollegen doch nicht verfügbar sind, sehen wir die geschätzte Dauer von 5 Tagen als zu gering an, weil unser weniger erfahrene Kollege mehr Zeit für das Arbeitspaket hat.
= 2 Punkte für die pessimistische Schätzung (bleiben 0 Punkte von 6)
Berechnung der Dauer:
O | W | P | |
3 | 5 | 9 | Tage |
x | x | x | mulitpliziert |
0 | 4 | 2 | Verteilte Gewichtungspunkte |
3 | 20 | 18 | Summe = 41 Tage |
41 : 6 Punkte = 6,8 Tage
Vorteile:
- Berücksichtigt Unsicherheiten und Risiken.
- Gibt eine realistischere Schätzung als einfache Durchschnittswerte.
Nachteile:
- Erfordert eine fundierte Einschätzung für die optimistischen und pessimistischen Werte.
- Kann aufwendig sein, insbesondere bei großen Projekten.
Anwendungsbeispiel: Ein IT-Projektmanager könnte diese Methode verwenden, um die Entwicklungsdauer eines neuen Softwaremoduls zu schätzen, indem er die besten, schlechtesten und wahrscheinlichsten Szenarien berücksichtigt.
Expertenschätzung
Die Expertenschätzung basiert auf dem Wissen und der Erfahrung von Experten im jeweiligen Bereich. In dieser Methode werden Experten befragt, um ihre Einschätzungen zu den erforderlichen Ressourcen, Kosten oder zur Dauer eines Projekts zu erhalten. Diese Schätzungen können in Einzelgesprächen oder in Gruppen (z. B. im Rahmen von Delphi-Befragungen) erfolgen.
Vorteile:
- Nutzt das Fachwissen erfahrener Personen.
- Flexibel und anpassbar an unterschiedliche Projektsituationen.
Nachteile:
- Subjektiv und anfällig für Vorurteile oder Fehleinschätzungen.
- Abhängig von der Verfügbarkeit von Experten.
Anwendungsbeispiel: In einem neuen Forschungsprojekt könnten Wissenschaftler und Techniker ihre Erfahrungen einbringen, um die Dauer und Komplexität der experimentellen Phasen zu schätzen.
Bottom-up-Schätzung
Die Bottom-up-Schätzung zerlegt ein Projekt in kleinere, besser handhabbare Arbeitspakete durch den Projektstrukturplan (PSP). Jedes Arbeitspaket wird separat geschätzt, und die einzelnen Schätzungen werden dann summiert, um eine Gesamtprojektschätzung zu erhalten. Diese Methode ist besonders nützlich bei großen und komplexen Projekten.
Vorteile:
- Sehr detailliert und präzise.
- Liefert eine umfassende Sicht auf die Projektanforderungen.
Nachteile:
- Zeitaufwendig, da jede Komponente einzeln geschätzt werden muss.
- Kann schwierig zu koordinieren sein, wenn viele Arbeitspakete involviert sind.
Anwendungsbeispiel: Ein großes Bauprojekt könnte in verschiedene Bauphasen unterteilt werden, z. B. Fundament, Rohbau, Innenausbau, etc., und jede Phase wird separat geschätzt.
Top-down-Schätzung
Im Gegensatz zur Bottom-up-Schätzung startet die Top-down-Schätzung auf einer hohen Ebene, indem die Gesamtdauer oder die Gesamtkosten eines Projekts basierend auf ähnlichen Projekten oder Erfahrungswerten grob geschätzt werden. Diese Schätzung wird dann auf die verschiedenen Projektphasen oder Arbeitspakete heruntergebrochen.
Vorteile:
- Schnell und einfach, insbesondere in frühen Phasen der Projektplanung.
- Nützlich für eine erste grobe Schätzung.
Nachteile:
- Weniger genau, da keine detaillierte Analyse der einzelnen Arbeitspakete erfolgt.
- Kann zu Fehleinschätzungen führen, wenn das Projekt zu stark vereinfacht wird.
Anwendungsbeispiel: Ein Softwareunternehmen könnte auf Grundlage der gesamten bisherigen Projekterfahrung eine grobe Schätzung für die Entwicklung einer neuen Anwendung vornehmen und diese Schätzung dann auf die verschiedenen Entwicklungsphasen herunterbrechen.
Vergleichsschätzung (Comparative Estimating)
Ähnlich wie die analoge Schätzung vergleicht die Vergleichsschätzung das aktuelle Projekt mit anderen, ähnlichen Projekten, um Zeit, Kosten oder Ressourcen zu schätzen. Diese Methode kann jedoch detaillierter sein, da sie spezifische Unterschiede zwischen den Projekten berücksichtigt und diese in die Schätzung einfließen lässt.
Vorteile:
- Nützlich bei Projekten mit ähnlichen Merkmalen.
- Basiert auf realen Daten und Erfahrungen.
Nachteile:
- Kann ungenau sein, wenn Projekte stark variieren.
- Erfordert eine gründliche Analyse der Unterschiede zwischen den Projekten.
Anwendungsbeispiel: Ein Unternehmen könnte ein neues Produkt basierend auf den Entwicklungszeiten und -kosten eines früheren, ähnlichen Produkts schätzen, indem es Unterschiede wie neue Technologien oder veränderte Marktbedingungen berücksichtigt.
Fazit
Jede Schätzmethode hat ihre Stärken und Schwächen, und die Wahl der richtigen Methode hängt von den spezifischen Anforderungen und der Komplexität des Projekts ab. In der Praxis werden oft mehrere Methoden kombiniert, um genauere Schätzungen zu erhalten. Projektmanager sollten in der Lage sein, verschiedene Ansätze zu beherrschen, zu bewerten und flexibel anzupassen, um realistische und fundierte Schätzungen zu erstellen. Ob analog, parametrisch oder bottom-up – eine präzise Schätzung ist der Schlüssel zum Erfolg jedes Projekts.
Durch den Einsatz geeigneter Schätzmethoden können Risiken minimiert, Budgets optimiert und Zeitpläne eingehalten werden. Es ist nützlich, regelmäßig Rückschau zu halten und aus früheren Projekten zu lernen, um zukünftige Schätzungen immer genauer und zuverlässiger zu gestalten.